MACNA 16 in Boston, Massachusetts (USA)
von Daniel Knop


Fast hätte ich vergessen, Robert den Bericht über die MACNA 2004 in Boston zu machen, den ich ihm versprochen hatte. Nun, hier ist er. Schon auf der Vorjahresveranstaltung hatten mir die Veranstalter vorgeschwärmt, dass die MACNA 16 ganz besonders groß werden würde. Der ausrichtende Aquarienverein war Boston Reefers, und wer weiß, dass Boston ein reiches Pflaster ist und dass dieser Club rund 500 Mitglieder hat, der kann sich vorstellen, dass da einiges geboten wurde.

Und tatsächlich sprechen die Zahlen für sich: über 1.000 Besucher und über 100 Industrieaussteller. Das sind bisher absolute Spitzenwerte für die MACNA. Die größte bisher war die in Los Angeles 1998, mit rund 850 Besuchern. Natürlich sind da immer alle Referenten, Aussteller und sogar die Putzfrauen mitgezählt, damit das alles möglichst gewaltig wirkt. In Wahrheit muss man da differenzieren: Viele Besucher hatten nur eine Karte für die Industrieausstellung gekauft und waren eigentlich gar nicht wirklich auf der MACNA. Die tatsächliche – bereinigte – Besucherzahl schätze ich auf rund 500. Ist aber immer noch eindrucksvoll.

Aber trotzdem war alles imposant. Ein hochexklusives Hotel (eins von der Sorte, in denen ich mich immer ganz unwohl fühle, weil ich den ganzen Komfort mit goldenen Wasserhähnen gar nicht gewohnt bin), und dreieinhalb große Räume für die Industrieausstellung (das wirkte etwas zerstückelt, weil keine ausreichend große Halle da war, so dass man im Hotel zwei Räume belegte und auf dem Hof noch zwei große Veranstaltungs-Zelte aufstellte). An Ausstellern war alles da, was in Amiland Rang und Namen hat. Und diesmal auch jemand aus Deutschland. Das ist lange her, dass ich Deutsche auf der MACNA getroffen habe: das waren Dr. Dieter Brockmann und Michael Mrutzek in Los Angeles 1998. Seither war ich, glaube ich, immer der einzige Germane, der da rumgetigert ist. Ach so, Helmut Debelius war diesmal auch da. Aber zu den Referenten komme ich später.

Schrecklich viel Neues gab es auf der Industrieausstellung nicht, sondern eher Verbesserungen im Detail. Was mich fasziniert hat, war ein Händlerbecken für Korallen, das Ihr auch im Bild seht. Das Becken war bis zum Rand mit Wasser voll und wurde kontinuierlich weiter befüllt, so dass es permanent überlief. Es stand auf einer großen Auffangschale, die das allseitig runterlaufende Wasser sammelte und in das Unterbecken beförderte. Zum einen war das eine Attraktion, zum anderen aber sicher auch hilfreich, um die Wasseroberfläche trotz der Beckenströmung gerade zu halten, so dass man gut durchsehen kann. Spannend war immer das Hineingreifen in das Becken, weil es dadurch hör- und sichtbar überlief. Die hübsche Maxima, die abgebildet ist, stand in diesem Becken. (Wegen der Reflexionen an der Wasseroberfläche ist das Bild nicht doll geworden, ich hab’s ein paar Mal probiert). Eigentlich wollte ich sie mit nach Deutschland nehmen, habe ich dann aber doch nicht getraut. Aber dieses Becken war spannend – ich bin sicher, wenn die Jungs von Schuran da gewesen wären, die wären jetzt schon am Basteln...

Allerdings war die Veranstaltung in Bezug auf die Vorträge absolut nicht das Gelbe vom Ei. Nichts gegen die Referentenauswahl – da hatten sie sich viel Mühe gegeben. Viele in den USA sehr bekannte Namen waren auf der Sprecherliste zu lesen; Prof. Sanjay Joshi, Dana Riddle, Julian Sprung, Charles Delbeek, Dr. Bruce Carlson, Prof. J. E. N. („Charlie“) Veron und viele andere. Aus England war der liebe David Saxby angereist, aus Deutschland Helmut Debelius und meine Wenigkeit. Insgesamt waren es über 30 Referenten. Daran hat es nicht gelegen. Aber eines der Probleme waren die extrem kleinen Tagungsräume. Ich hatte das Glück, bei einem meiner Vorträge den größten zu bekommen – da gingen aber nur 100 Mann rein. Charlie hatte den kleineren mit bestenfalls 50 Plätzen. Unter solchen Umständen ist es keine Kunst, einen Saal zu füllen, und viele Interessierte mussten draußen bleiben. Man stelle sich vor, man kauft eine teure Eintrittskarte für eine Veranstaltung, um bestimmte Vorträge zu besuchen, und dann sitzt da ein Wärter vor der Tür des Vortragsraumes und lässt keinen mehr rein!

Aber es kommt noch besser. Statt jedem Referenten 30 Minuten Zeit zu geben und alle Vorträge nacheinander abzuhalten, hat man jedem 90 Minuten gegeben! Die zu füllen, ohne dass jemand einschläft, ist nicht ganz einfach! Das geht vielleicht, wenn man Thomas Gottschalk heißt, oder Anke Engelke. Auch Rudolf Hüster traue ich das ohne weiteres zu. Aber allgemein kann man, glaube ich, die meisten Vorträge in einen Zeitrahmen von 30 bis 45 Minuten packen. Wenn mehr Zeit belegt wird, dann ist der Vortrag meist gestreckt, und das Füllmaterial macht müde. Finde ich jedenfalls. Lieber in 30 Minuten, dann zehn Minuten Pause und ab zum nächsten Vortrag. Folge dieser Zeitplanung war, dass immer drei Vorträge gleichzeitig gehalten werden mussten. Das heißt im Klartext, man will Referenten A, B und C besuchen, muss sich aber für einen der drei entscheiden. Und so hat auch der fleißigste Zuhörer wenigstens zwei Drittel der Vorträge versäumt – ich finde, das kann es nicht sein! Zugegeben, bei medizinischen Fachkongressen ist so was gang und gäbe, aber das ist was anderes: da hat man unter Umständen zahlreiche Fachbereiche, und wer beispielsweise die Vorlesungen für Kieferorthopädie besucht, der ist Kieferorthopäde, also an der Vorlesung für Implantologie beinahe automatisch nicht interessiert. Sowas kann man parallel laufen lassen. Aber nicht drei Riffaquaristik-Leute zur gleichen Zeit sprechen lassen, und dann noch Interessierte vor der Tür stehen lassen! Also in dieser Hinsicht war die Veranstaltung absolut nicht vorbildhaft, und ich kann nur hoffen, dass Claude, Helmut Schmidt oder „JJ“ Eckert nicht irgendwann auf solche Gedanken kommen... ;-)

Ich persönlich hatte wegen vielen wichtigen Gesprächen und den eigenen Vorträgen nur Zeit, Charlie Verons Beitrag zu hören – überaus spannend, seine Theorie von der Artenentstehung. Ich hab darüber ja schon mal in einer Buchrezension philosophiert, und einen Artikel von ihm über das Thema hatten wir auch schon mal in der Zeitschrift. Die Vorstellung von den isoliert nebeneinander bestehenden Arten ohne genetischen Austausch scheint mir in mancher Hinsicht antiquiert, und ich bin gespannt, was da durch die modernen Methoden genetischer Untersuchungen bestätigt oder widerlegt werden kann. Ich bin sicher, dass wir in, sagen wir, 20 Jahren eine Korallen-Systematik vorliegen haben werden, in der sich vieles substanziell von dem unterscheidet, was heute in Büchern steht. Aber ich will nicht orakeln, oft kommt ja alles ...

Zu den übrigen Vorträgen kann ich leider nichts sagen, außer, dass die Besucher allgemein zufrieden wirkten über das, was sie gehört haben, und eher verärgert über das, was sie nicht hören konnten. Helmut hat für seinen Beitrag viel Zwischenapplaus bekommen, und hinterher haben sie ihm in der Signierstunde die Bücher aus der Hand gerissen. Das kennt er aber schon, so was ist ihm nicht neu. Charlie Veron war kaum zu sehen und hat sich die ganze Zeit auf sein Hotelzimmer zurückgezogen, um zu arbeiten. Ein Stündchen lang habe ich ihn dabei gestört und wir haben uns angeregt unterhalten. Bruce Carlson habe ich Geheimnisse über das neue öffentliche Aquarium in Atlanta zu entlocken versucht, das unter seiner Leitung entsteht – immerhin ein 250-Millionen-Dollar-Projekt – aber der hält wie immer dicht; er ist zum Schweigen verurteilt, bist zur Eröffnung.

Interessant fand ich, dass Thomas Pohl seine Zeovit-Methode in Amiland vorgestellt hat. Er hat auch, soweit ich das in der Ausstellungshalle sehen konnte, viel Interesse ausgelöst. Alexander Girz war auch da, zur moralischen Unterstützung, nehme ich an ;-). Insgesamt fänd ich mehr deutsche Beteiligung auf der MACNA gut, weil es dem Austausch von Informationen doch sehr nützt. Die nächste ist in Washington D. C. Ich vermute sehr stark, dass Fehler, die in der Bostoner Veranstaltung hinsichtlich des Vortrags-Timings gemacht wurden, dort vermieden werden, denn man lernt ja immer aus den Vorveranstaltungen. Ihr könnt ja schon mal im Terminkalender nachschauen, ob’s passt.


Gruß, Daniel