Helicostoma - Brown Jelly,  die moderne Geisel der Korallenpfleger
Ursachen und mögliche Behandlungsmethoden
von Robert Baur-Kruppas

Nicht gerade besonders selten liest man in Meerwasserforen die Frage was man tun kann wenn sich eine Koralle plötzlich auflöst und sich dabei auf der Koralle eine braune gelatöse Masse bildet. Das Gewebe geht zurück, es bildet sich brauner Schleim. Dieser Schleim wird immer mehr bis schließlich die Koralle tot ist.

Hierbei handelt es sich, zumindest ging man bisher davon aus, um das sog. Brown Jelly.  Auslöser soll ein bekanntes Wimperntierchen sein.  Wenn Korallen bzw. Steinkorallen massiv von Helicostomaprotozoen befallen werden, spricht man allgemein von plötzlichen Gewebszerfall‚ auch RTN  (Rapid Tissue Necrosis = rascher Gewebstod)

Beschrieben ist das Erscheinungsbild und Auftreten schon länger, sogar in Band 1 Riffaquarium (Delbeek und Sprung) fanden sich schon Hinweise. Und das Buch ist doch schon etwas betagter. Bisher ging man davon aus dass ausschließlich ein Wimperntierchen daran schuld ist, dass den Namen Helicostoma (evtl. H. nonatum) trägt.

Aber schauen wir uns erst einmal an was ein Wimperntierchen genau ist:

Wimpertierchen (Chilophora, Ciliata) sind einzellige Lebewesen, die unter anderem auch im Meerwasser vorkommen. Ihre Zelloberfläche ist ganz oder nur teilweise mit Wimpern bedeckt.  Diese dient zum Herbeistrudeln von Nahrung. Wimpertierchen gelten als die am höchsten entwickelten und am stärksten differenzierten Protisten.
Ihre Länge beträgt zwischen 60 und 300 Mikrometer. Bei bestimmten Arten aber beträgt die Länge sogar mehr als 1 Millimeter und können teilweise schon mit bloßem Auge als kleine, weiße, längliche Pünktchen erkannt werden.

Wimperntierchen sind in der Lage ihre Oberflächenstruktur zu verändern und so auf chemische wie physische Reize zu reagieren. Besonders auf Änderungen der Sauerstoff- und Kohlendioxidkonzentration reagieren Wimpertierchen mit Bewegungsrichtungsänderungen, bis sie sich in einem Gebiet mit günstigeren Bedingungen befinden.
Zudem können bei räuberischen Arten auch sogenannte Toxicysten vorkommen, welche sich ähnlich wie die Nessselkapseln der Cnidaria entladen, durch die Membran der Opfer durchschlagen und toxische Stoffe injizieren können, um diese zu immobilisieren. Insbesondere wegen der Arten mit mehreren Makronuklei und wegen der sehr ausdifferenzieren Struktur des Somas wird diskutiert, ob die Ciliaten nicht aus einer syncytialen Vielzelligkeit hervorgegangen sind. Dafür spricht u.a. die Vielzahl der stukturell wie Geißeln aufgebauten Cilien sowie das Copulationsverhalten. Dagegen spricht die Teilung des ganzen Körpers bei der ungeschlechtlichen Vermehrung.
(Quelle Wikipeda)
 

Lebensweise
Ciliata kommen in der Meeresaquaristik als Einzelindividuen meist in kolonieförmigen Ansiedlungen vor. Protozoen der Gattung Helicostoma sind deshalb auf nahezu jeder Koralle präsent.  Es gibt freischwimmende und festsitzende Formen. Einige können kommensalisch leben. Diese können mit Hilfe von Cellulasen die Cellulose aus der aufgenommenen Nahrung zersetzen. Manche leben auch in Smybiose mit in der Innenschicht eingelagerter Grünalgen. Wieder andere leben rein parasitär, wie der Ichthyophthirius multifilis. Dies ist ein Hauptparasit bei Aquarienfischen.

Helicostoma nonatum stammt aus der Familie der Philasteriade. Diese Einzeller können auf allen Korallen (Leder- Weichkorallen, Steinkorallen, Scheibenanemonen oder Krustenanemonen) vorkommen. Allerdings befallen sie oft großpolypige Steinkorallen besonders gerne. Hierzu zählen oft Euphyllia Arten aber auch Goniopora oder Alveopora Arten, aber natürlich auch andere Steinkorallen.

Hierbei verzehrt der Einzeller das Gewebe und Zooxanthellen der Koralle. Die Betrachtung der braunen Masse unter einem herkömmlichen Mikroskop zeigt ein Gewimmel von unzähligen länglichen Wimpertierchen. Sie werden es schon gemerkt haben, wir schrieben nun schon zweimal... bisher ging man davon aus....
Das hat natürlich seinen Grund.
 

Harald Mülder, Forumtierarzt und besonders engagierter Aquarianer, hat durch Zufall etwas sehr interessantes herausgefunden. Nötig war dazu ein richtig gutes Mikroskop. Denn wenn es so einfach unter einem normalen Mikroskop zu entdecken gewesen wäre, hätte es sicher schon mal Hinweise in der Literatur gegeben. Natürlich achtet man normalerweise nach dem Erkennen der Wimperntierchen nicht auf weitere Geschehnisse unter dem Mikroskop.  So erkannte Harald Mülder bereits vor fast zwei Jahren neben den bekannten Wimperntierchen noch etwas anderes, viel kleineres. Wir kommen später noch einmal darauf zurück.

Eines muss aber hier nochmals in aller Deutlichkeit festgehalten werden. Wimperntierchen wie Helicostoma nonatum sind immer latent im Aquarium vorhanden. Sie nehmen nur dann überhand und befallen die Koralle wenn diese geschwächt ist.


Eine befallene Koralle, gut zu sehen ist die braune Masse die sich bildet...


Auch hier sieht man den Befall gut. Diese Art Koralle ist vor allem bei mechanischen Verletzungen des Gewebes empfindlich.

 
Kommen wir nun zu den möglichen Ursachen:

Wenn eine Koralle plötzlich nicht mehr wie gewohnt aufgeht oder ansonsten nicht gut aussieht, gibt es meist auch eine Ursache dafür. So hat sicherlich auch das Auftreten von Helicostoma auf einer Koralle eine Ursache. Man geht, und das sehen wir ähnlich,  zurecht davon aus, dass die befallene Koralle geschwächt sein muss also nicht ganz optimal gehalten wird.

So wäre eine Optimierung der Lebensbedingungen deshalb eine der wichtigsten Erst-Maßnahmen bei der Bekämpfung.

So sollte man zumindest die folgenden Kriterien überprüfen:

- Wassertemperatur im optimalen Bereich von 24 – 26 Grad
- ist die Salinität im optimalen Bereich von 34 – 36 Promille
- Sind die Wasserparameter und Werte in Ordnung? (Nitrat, Phosphat etc.)
- Wird das befallene Tier von einem anderen Tier vernesselt (Kampftentakel)

Neben den gerade genannten und an sich bekannten Parametern kann auch noch die mechanische Verletzung eine Ursache sein. Gerade LPS Korallen sind empfindlich auf Verletzungen des Polypengewebes ähnlich wie auf Bohralgen. Natürlich reagiert nicht jede Koralle gleich auf Veränderungen im Wasser. Wir Menschen bekommen ja auch nicht alle gleich einen Schnupfen oder Grippe. So ähnlich stellen wir uns das bei den Korallen auch vor.


Hier ist gut eine typische Vernesselung über Kampftentakel zu sehen. Zwei Korallen "kämpfen" gegeneinander um Siedlungsraum und eine wird irgendwann gewinnen. Die somit geschwächte Koralle kann durchaus von Helicostoma befallen werden
 

Behandlungsmöglichkeiten:
Natürlich bringt ein solcher Artikel dem Suchenden nur dann etwas wenn auch Behandlungsmöglichkeiten genannt werden.

Es gibt in der Literatur und auch im Internet mannigfaltige Angaben wie man vorgehen kann.

Das reicht von Bädern der befallenen Tiere in erhöhter / gesenkter Salzkonzentration, über Süsswasserbäder zum schon bekannten Baden der betroffenen Koralle in einem mit Jod versetzten Salzwasserbad.

Im Tierreich ist bisher noch kein wirklich guter Helfer als Fressfeind bekannt. Natürlich sagt man vor allem den Fischen aus der Gattung der Leierfische, oder auch Seenadeln das Fressen von Ciliaten nach.  Bei einem eintretenden Befall sind es keine wirklichen Helfer die mit einer größeren Menge fertig werden würden.

Jod:
Unserem Wissenstand nach führt ein Bad mit Jod nur selten zum Erfolg, auch wenn dies bisher oft so beschrieben wurde.  Auch wenn Jod oft ein Allheilmittel ist, (Beispiel Turbellarien auf SPS Korallen)  hier wird es seine Wirkung nicht in dem Maße zeigen wie man es sich wünscht. So haben die Einzeller nach einem Jodbad unter dem Mikroskop munter "weitergelebt" und gar nicht daran gedacht Ihre Bewegung einzustellen.

Süsswasser:
Hiermit haben wir selber nicht viel Erfahrung sammeln können.
Es könnte aber schon allein aufgrund der Tatsache der Osmoseregulation funktionieren,  da Helicostoma keine Schwankung verträgt. Eine gesundheitlich schon angeschlagene Koralle verträgt eine so starke Schwankung in der Salinität evtl. auch nicht.

Erklärung:
In Süsswasser lebende Ciliaten besitzen eine, zwei oder mehrere Vakuolen. Diese erfüllen die Funktion eines osmoregulatorischen Drainagesystems. Wie genau dieser Apparat funktioniert ist uns nicht näher bekannt. Klar ist allerdings seine osmotische Funktion, da dieser Apparat nur bei Süßwasserarten vorkommt und dort auf Veränderung des osmotischen Druckes mit pulsierenden Kontraktionsveränderungen reagiert. Dies erklärt warum eine geringere Ionenkonzentration im Aussenmedium das Wasser leicht durch die Membran in das Zellinnere übergeht und so die Zellen zum Platzen bringt. Zumindest dann wenn nicht ständig durch eine Vakuole es wieder nach draußen transportiert wird.
 

Senken der Salzkonzentration:
Auch hier fehlt uns das Wissen durch Praxisversuche. Natürlich sollte es aber im Hinblick auf die Anfälligkeit auf die Schwankung bei der Salinität funktionieren. Es erscheint aber ebenso fraglich ob eine angeschlagene Koralle die plötzlichen Schwankungen vertragen wird. Ganz sicher aber ist so eine Anwendung eher verträglich als ein Süsswasserbad.

Natürlich wollen wir nicht nur die bisherigen Methoden kritisieren, sondern auch versuchen einen möglichen anderen Weg auf zu Zeigen.
 

Antibiotika:
Es ist  (persönliche Nachricht von Tierarzt Harald Mülder) schon länger bekannt dass einige Antibiotika hier helfen könnten. Harald Mülder hat hier einige Versuche unternommen.  Deshalb ist es für uns erwiesen, dass unsere Einzeller nach der Behandlung mit Antibiotika innerhalb weniger Minuten ihre Bewegung einstellen und absterben.

Aber Achtung!
Man sollte niemals ein ganzes Becken damit behandeln, sondern eine Behandlung immer im separaten Gefäß durchführen. Der wichtige Hintergrund ist der, dass man sich sonst alle im Aquarium befindlichen Bakterien abtötet könnte. Das kann unter Umständen einen Beckenabsturz nach sich ziehen da die ganze Bakterienfauna durcheinander kommt.

Außerdem muss man bei der Behandlung beachten dass man das Wasser nicht einfach in das Abwasser schütten darf. Es würde das Abwasser zu sehr belasten.

So sind Chloramphenicol, Metronidazol oder Dimetridazol bekannte Antibiotika die helfen sollten wenn eine Koralle befallen ist.  Dies sind aber alles verschreibungspflichtige Medikamente und nur mit Rezept zu beziehen. Wobei man sicherlich vom heimischen Tierarzt, bei der richtigen Erklärung worum es geht, meist doch auch Verständnis und Hilfe finden sollte.

Anwendung:
Hierzu nimmt man das befallene Tier aus dem Aquarium und gibt es in ein separates Gefäß. Zum Meerwasser gibt man dann eine Messerspitze des Antibiotikums und badet die Koralle darin, zur Sicherheit mindestens eine halbe Stunde. Danach spült man das Tier nochmals mit eingefahrenen Salzwasser gut ab und gibt es zurück ins Becken. Bevorzugt an eine gut durchströmte Stelle. Das Wasser mit dem Antibiotikum darf man auf keinen Fall einfach in den Abfluss schütten. Mit der nachfolgenden Anleitung sind sie auf der sicheren Seite.

Um die genannten Antibiotika unschädlich zu machen gibt man auf 20 Liter Wasser (das Wasser das weggeschüttet werden soll – auf keinen Fall ins Aquarium geben!) 50 ml eines Haushaltsbleichmittels. Das Wasser muss dann gründlich durchmischt werden, und sollte dann noch einige Stunden stehen bevor es dann in den Abfluss gekippt wird.
 

Soweit der bisherige Stand der Aquaristik.

Nun hat, wie oben schon angekündigt Harald Mülder durch Zufall etwas sehr interessantes entdeckt, dass den Schluss zulässt das nicht nur Helicostoma die Schuld am sog. Brown Jelly trägt, sondern nur das „Beiwerk“ zu sein scheint.

Denn unter einem guten (und teuren) Mikroskop konnte Harald Mülder, neben Helicostoma viele Vibrionen entdecken. Eine genauere Identifikation fehlt leider bisher.  Diese sind weit kleiner als die einfach zu sehenden Wimperntierchen. Dies lässt für uns den Schluss zu, dass nicht alleine das Wimperntierchen Helicostoma die Schuld an Brown Jelly und RTN trägt, sondern dass hier Vibrionen die Schwächung des Tieres mit ausnutzen um sich stark zu vermehren.

Erklärung Vibrionaceae
Die Vibrionaceae bilden eine Familie innerhalb der Gammaproteobacteria und sind die einzige Familie der Ordnung Vibrionales.
Es handelt sich um Gramm-negative, fakultativ anaerobe Bakterien die im Süß – und Meerwasser leben.  Sie haben eine oder mehrere, meistens polar angeordnete Geißeln. Manche Arten sind pathogen, wie z.B. Vibrio cholerae. Die meisten diese Bakterien sind der Biolumineszenz fähig, und leben in Symbiose mit Tiefseetieren.
 
 
Gattungen 
Zu Vibrionaceae zählen folgende Gattungen:
Allomonas
Beneckea
Enhydrobacter
Listionella
Lucibacterium
Photobacterium
Salinivibrio
Vibrio

Die Gattungen Aeromonas und Plesiomonas, die früher zu dieser Familie gezählt wurden, gehören zu anderen Familien.

Was sind Vibrionen?

(Artikel Vibrionen.  In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 25. Dezember 2006, 12:33 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Vibrionen&oldid=25515000 (Abgerufen: 27. Dezember 2006, 15:32 UTC)

Vibrionen ist eine Umgangssprachliche Bezeichnung für Arten der Gattung Vibrio. Es handelt sich um gramnegative, fakultativ anaerobe, gekrümmte Stäbchen. Die Geißeln sind meist polar angeordnet. Überdauerungsorgane wie Sporen werden nicht erzeugt.
Die meisten Arten leben im Süß- oder Meerwasser.
Die bekannteste Art, Vibrio cholerae, ist Erreger der Cholera. Es gibt zwei Stämme, den klassischen Stamm und den El Tor-Stamm. Infektionen mit dem El-Tor-Stamm verlaufen in der Regel leichter und enden viel seltener tödlich. Ein weiterer wichtiger Krankheitserreger ist Vibrio parahaemolyticus, eine Art, die besonders in Japan durch Meeresfrüchte oder rohen Fisch übertragen wird und Brechdurchfall-Erkrankungen (Gastroenteritis) erzeugt.
 

Evtl. sind die entdeckten Vibrionen sogar der Verursacher und das Wimperntierchen Helicostoma nur die Sekundärinfektion. Letztlich ist diese Info aber für die Behandlung nicht so relevant da die genannten Antibiotika auch gegen Vibrionen helfen. Nichts desto trotz ist es eine  hochinteressante Information und sollte von professioneller Seite weiter untersucht werden. Um auf der sicheren Seite zu sein empfehlen wir daher keine Dichtesenkung oder Süsswasserbad, sondern direkt die Behandlung mit einem der genannten Antibiotika, natürlich außerhalb des Aquariums.

Fazit:
Halten Sie Ihr Aquarium immer im sog. Limit (Werte). Achten Sie auf die Temperatur und beobachten Sie ihre Tiere genau. Dazu gehört natürlich auch der Kauf von Tieren! Man kann im Vorfeld schon viel durch eine gute Beobachtungsgabe vermeiden. Es werden zwar nur geschwächte Korallen befallen, aber Helicostoma vermehrt sich dann recht stark und sollte aus dem Aquarium gänzlich entfernt werden. So verhindert man weitere Opfer durch das Übertragen auf andere Korallen.

Ich möchte mich abschliessend ganz herzlich bei Harald Mülder für den Erfahrungsaustausch und Hilfe bedanken. Ohne Ihn wäre die Meerwasseraquaristik in den letzten Jahren nicht so weit gekommen was Fischkrankheiten, Plagegeister, Algen und Bakterien betrifft.
 

Mit salzigen Grüßen

Robert Baur-Kruppas


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