Geschlechtsunterschiede bei Korallenfischen
Von Joachim Großkopf
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Kleine anatomische Unterschiede
Typisch hierfür sind z.B. die Seepferdchen mit der Bruttasche des Männchens und die Seenadeln, bei denen aber außerhalb der Laichzeit oder bei noch nicht geschlechtsreifen Männchen die Bruttasche fehlen kann. Bei Doryrhamphus zeigen aber die Männchen kleine Zacken oben auf der Schnauze und können so sicher bestimmt werden.
 

Unterschiedliche Färbungen von Männchen und Weibchen (Geschlechtsdichromatismus)
Geschlechtdichromatismus ist bei den Korallenfischen weit verbreitet. Dies mag mit der Fähigkeit der Geschlechtsumwandlung zusammenhängen. Allerdings ist die unterschiedliche Färbung von Männchen und Weibchen im Tierreich weiter nicht ungewöhnlich, denkt man z.B. an Vögel, Süßwasserfische, Reptilien oder auch manche Säugetiere. Bei den Meerwasserfischen ist aber auffällig, dass vor allem Arten die frei in das Wasser ablaichen und keine Brutpflege betreiben diesen oft extrem auffälligen Geschlechtsdichromatismus zeigen. Eine der wenigen Ausnahmen davon ist z.B. die Demoiselle Chrysiptera cyanea. Die bekanntesten Beispiele sind fast alle Lippfische, Kaiserfische der Gattung Genicanthus, Fahnenbarsche der Gattung Pseudanthias. Einige Arten zeigen nur in der Laichzeit deutliche Färbungsunterschiede wie einige Doktorfische der Gattung Naso.
 

Das Verhalten
Das Verhalten ist bei der GU ein wesentliches Kriterium. Allerdings können die Fische zeitweilig trotzdem starke Aggressionen gegeneinander zeigen, auch wenn sie später ein harmonisierendes Pärchen werden. Durch diese Aggressionen wird die Geschlechtsumwandlung gesteuert. In der Regel unterdrücken die zukünftigen Männchen die schwächeren Tiere, oft nach etwa 4 Wochen ändert sich dieses Verhalten schlagartig und das nun fertile Männchen balzt die schwächeren Fische an. Eine Ausnahme davon sind die Anemonenfische, bei denen die stärkeren Tiere nahezu ausschließlich die Weibchen sind. Aber auch zukünftig muss das Männchen immer sein Revier behaupten und die Weibchen anbalzen oder ihnen zeigen, wer der Haremschef ist. Vor Jahren hatte ich eine laichende Gruppe Centropyge acanthops (1 Männchen, 2 Weibchen). Nach etwa acht Jahren war das Männchen zwar noch munter, es balzte und laichte aber nicht mehr mit den Weibchen ab. Etwa zwei Monate danach bemerkte ich, dass das etwas größere der beiden Weibchen das Männchen schon fast getötet hatte. Nachdem ich das jämmerlich geschundene Männchen entfernt habe, änderte das Weibchen innerhalb von 4 Wochen seine Färbung (siehe weiter unten) zum Männchen und laichte mit dem kleineren Weibchen noch einige Jahre ab! Die Eier waren auch befruchtet. Ein anderes Beispiel sind die Falterfische, hier vor allem der gestreifte Pinzettfisch Chelmon rostratus. Ich bin in der glücklichen Lage im Großhandel Tiere aussuchen zu können. Manchmal bekommt man von diesem Fisch einfach mehr als man Aquarien hat und so müssen gelegentlich mehrere Tiere zusammen in ein Aquarium. Selten, aber regelmäßig finden sich hier dann Pärchen zusammen, die friedlich zusammen schwimmen und fressen und immer friedlich zueinander bleiben! Ich habe nun schon seit Monaten solche Tiere in sogar kleinen Aquarien zusammen, ohne dass sie auch nur Andeutungsweise aggressiv zueinander sind! Bei den meisten Falterfischen ist eine Zwangsverpaarung praktisch unmöglich. Bei anderen geht sie aber prima, wie z.B. bei den meisten Doktorfischen, ein größerer und ein kleinerer geht fast immer gut. Aber Achtung, nur ausgefärbte Fische zusammen setzen, keine Jugendfärbung. Und vor allem nur eine Art und nie mehr als zwei Exemplare in normal großen Becken einsetzen. So kann es zum Fiasko werden, wenn man z.B. zu zwei friedlichen Zebrasoma flavescens einen Zebrasoma xanthurum einsetzt. Diese beiden Arten erkennen sich nicht als unterschiedliche Arten, sondern akzeptieren sich durchaus als Partner und Dreierbeziehungen klappen bei größeren Korallenfischen in den üblichen Aquarien nur extrem selten. Sehr wichtig ist auch, möglichst nie nachsetzen, sondern gleich zusammen eingewöhnen! Die ganzen gut gemeinte Ratschläge mit Schwimmschulen, Abteilen etc. sollten nur für wichtige Ausnahmefälle (Zucht, Forschung) Anwendung finden, überlegen Sie sich mal, wie dabei die Fische zum Teil extrem gestresst werden. Krankheiten sind dann leicht eine Folge davon.

Einmal erfolgreich verpaart zeigen viele Korallenfische ein schönes Verhalten, mit Unterwürfigkeitsgesten, Balz mit manchmal unerwarteten Schwimmbewegungen und Farbveränderungen und natürlich im Endeffekt das Ablaichen. Andererseits können alleine lebende Korallenfische manchmal zu richtigen Bestien werden. Alleine lebende Pseudochromis aldabrensis oder P. fridmani sind fast immer Männchen. Leben sie mit Weibchen zusammen bewachen sie fast ständig Eier in ihren Verstecken. Sie kommen dann manchmal während der vier Tage der Brutpflege noch nicht einmal zum Fressen hervor. Einzeln gepflegt können sie dieses Verhalten nicht ausleben und sie töten manchmal deswegen sogar andere kleine Fische. Ist dieser Zustand erreicht, sind sie manchmal schon so verhaltensgestört, dass man noch nicht einmal geschlechtsreife Weibchen dazu setzen kann. Ein anderes Problem kann auftreten, wenn Fische geschlechtsreif werden. Im Süßwasser ist das nicht so ungewöhnlich zum Beispiel bei den meisten Buntbarschen. Im Meerwasser können manchmal Drückerfische zum Problem werden, so kommt es immer wieder vor, dass der Königinnendrückerfisch (Balistes vetula) die Geschlechtsreife erreicht eine Laichkuhle anlegt und jeden, aber auch wirklich jeden Fisch im Aquarium umbringt.

Leider greifen die Unterschiede bei der Balz erst, wenn sich schon Pärchen oder Haremsgruppen zusammengefunden haben. So verändert die Blaue Demoiselle ihre Färbung bei der Balz dramatisch. Die Tiere werden schmutzig grau-blau, von der hellblauen Färbung bleibt aber ein unregelmäßiges Fleckenmuster erhalten. Diese Fleckenzeichnung leuchtet richtig in der Dämmerung. Bei Centropyge acanthops Männchen verblasst der blaue Seitenfleck auf den Flanken vollständig, dazu stellt der Fisch seine harten Flossenstrahlen steil auf und schwimmt ruckartig durch das freie Wasser vor den Verstecken der Weibchen. Am spektakulärsten ist aber das Schwimmverhalten von Genicanthus Männchen. Diese legen alle Flossen an, außer den harten Strahlen der Rücken- und Afterflosse. Die extrem lang ausgezogene Schwanzflosse wird dabei heftig zitternd bewegt. Ähnlich machen es auch die Männchen von Gomphosus-Arten, den Schnabellippfischen, diese aber bewegen ihre Brustflossen flatternd. Manchmal zeigen noch unverpaarte Fische derartige geschlechtsspezifische Schwimmweisen.

Am ehesten wird man Unterwürfigkeitsgesten der schwächeren Tiere (meist der späteren Weibchen) beobachten können. Oft legen diese Fische ihr Flossen an und verdrehen den Körper seitlich oder leicht S-förmig, gleichzeitig zeigen sie quasi als „Absicherung" dem stärkeren Tier die harten Strahlen der Rückenflosse. Besonders auffällig ist dieses Verhalten des Öfteren bei den Siganus-Arten zu beobachten, die früher in der Gattung Lo eingruppiert wurden. Diese als Fuchsgesichter bezeichneten Arten sind untereinander meistens aggressiver als alle anderen Arten die zu Siganus gestellt werden. Oft kommt es vor, dass mit dem Erreichen der Geschlechtsreife oder nach einigen Wochen bis dahin friedliche zusammen lebende Exemplare plötzlich extrem aggressiv untereinander werden. Angst „schweißt" zusammen, Hunger entfremdet, meistens! Solche Verhalten sind für Kaninchenfische nicht ungewöhnlich und in kleinen Aquarien extrem gefährlich. Hier wird man auch mit einer starken Fütterung (Hungerneid) nichts erreichen. Wenn im gleichen Becken aber nur ein Fisch lebt, der die Siganus regelmäßig attackiert (in Maßen selbstverständlich), werden die zwei Fuchsgesichter sofort friedlich zueinander und eine Schutzgemeinschaft bilden, besonders größere Kaiserfische attackieren des Öfteren. Es gibt mindestens drei Ursachen, warum im Aquarium Korallenfische raufen, die in der Natur sogar in Gruppen leben: Hungerneid, fehlende Feinde und keine Verteidigung der eigenen Reviere gegen benachbarte Exemplare oder Gruppen der gleichen Art.  Einige Fischarten bilden solche Schutzgemeinschaft nur zu bestimmten Zeiten aus. Weißkehldoktorfische versammeln sich nur dann zu Schwärmen, wenn sie in die Reviere aggressiver standorttreuer Doktorfische zum Fressen eindringen und zur Fortpflanzung.
Vor Kurzen bekam ich zwei kleinere 5 cm lange Siganus, die sich zuerst sehr gut vertrugen. Urplötzlich jagte das eine Tier das Schwächere aber extrem. Nachdem aber ein gut 20cm großer Paraplesiops meleagris in das Aquarium kam, veränderte sich dieses Verhalten beinahe schlagartig und die Fische schwimmen wieder zusammen. Der Paraplesiops ist ein Räuber, der die Siganus anscheinend einschüchtert. Jedenfalls zeigen die Tiere seitdem kaum noch Aggressionen zueinander. Manchmal ist das Verhalten aber auch nicht so ganz nachvollziehbar. So erwarb ich vor einiger Zeit 3 Gobiodon okinawae für Zuchtversuche. Allerdings schien es sich doch um 3 Männchen zu handeln. Obwohl im  Händlerbecken 2 Fische anscheinend zusammen schwimmten, vertrugen sie sich bei mir nicht mehr. Einer starb in der Eingewöhnungszeit, die beiden anderen leben zusammen in einem Aquarium 50x50x 30cm. Sie suchten ihren Standplatz aber so weit wie möglich voneinander entfernt. Vor einigen Wochen setze ich 1 Männchen und 2 Weibchen des gelben Mirakelbarsches Assesor flavissimus dazu, die auch kurz von einer der Grundel attackiert wurden. Schon am nächsten Tag begannen die beiden Gobiodon aber friedlich nebeneinander mit den Assesor im freien Wasser zu schwimmen. Nach der Form der Genitalpapille sind die beiden Grundeln Männchen. In diesem Fall scheint die Angst der Auslöser für Aggressionen gewesen zu sein, den ich habe nur verhältnismäßig wenige Steinaufbauten in diesem Aquarium, um eventuelle Balz- oder Ablaichvorgänge kontrollieren zu können. Das ruhige Schwimmverhalten scheint den Gobiodon-Grundeln Sicherheit zu signalisieren, weshalb ein Kampf um den „besten und sichersten" Ansitz anscheinend nicht mehr so vordergründig ist. Die Assesor beachten die Grundeln nicht weiter.

Lautäußerungen
Anemonenfische und Kaiserfische lassen sich sehr wahrscheinlich an ihren Lauten unterscheiden. Ganz bestimmt auch noch andere Meeresfische. Oft werden die Geräusche aber in für den Menschen nicht hörbaren Frequenzen produziert.
 
 
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